Für alle Lebenslagen, Wünsche und Bedürfnisse gibt es in Japan spezielle Schreine mit spezialisierten Göttern. Leidet man an einer Erkrankung, sucht man einen Ehepartner oder einen neuen Job, wünscht man sich Erfolg bei der anstehenden Aufnahmeprüfung, dann geht man zu einem passenden Schrein, bei dem man um göttliche Unterstützung bitten kann. Ein Schrein, der touristisch nicht sonderlich bekannt ist, der sich bei den Tokiotern wegen seiner spezifischen Götter aber großer Beliebtheit erfreut, ist der Kanda-Myojin. Dieser Shinto-Schrein liegt unweit vom Ochanomizu-Bahnhof und vom Stadtteil Akihabara. Seine Gründung geht auf das Jahr 730 zurück. Allerdings war er zu seiner Anfangszeit in einem anderen Bezirk, der heute „Otemachi“ heißt.
Dieser Schrein ist drei Göttern geweiht.
Daikoku: Daikoku ist eine shintoistische Gottheit, der bei der Gründung Japans seiner Finger im Spiel hatte. Bei ihm beten ledige Menschen um eine Eheschließung, und Ehepaare um eine friedliche und harmonische Ehe.
Ebisu: Ebisu ist ebenfalls ein schintoistischer Gott, der als der Fischer-Gott bekannt ist. Vor ihm betet man um geschäftlichen Erfolg und Gesundheit. Am Jahresanfang pilgern Scharen von Unternehmensabteilungen zu Ebisu, um bei ihm um göttlichen Beistand für den nächsten Jahresabschluss und die Leistungsperformance zu bitten.
Taira no Masakado (-940): Taira no Masakafo ist ein Samurai aus der Heian-Zeit (794-1133). Er herrschte über die Kante-region und rebellierte gegen die kaiserlichen Machthaber in Kyoto, was ihn bei der regierungskritischen Kanto-bevölkerung äußerst populär machte. Nachdem er 940 in einem Kampf getötet worden war, wurde sein Haupt zum Kanda-Myojin gebracht und dort begraben. Ein paar hundert Jahre später spielte Masakado dann nochmals eine wichtige Rolle. Die Kanto-Region wurde im 14. Jahrhundert nämlich von einer Reihe verheerender Seuchen heimgesucht. Man konnte sich diese Katastrophen nur damit erklären, dass mit dem toten Masakado ein Fluch verbunden sein musste, der für all diese Übel verantwortlich war. Also hielt man rasch eine stattliche Gedenkfeier ab, und seit dieser Zeit wird Masakado als Gott des Sieges verehrt.
1600 betete Tokugawa Ieyasu hier zu Gott um seinen Sieg und Erfolg, kurz vor seinem Aufbruch nach Sekigahara (in der jetzigen Gifu-Präfektur), wo die berühmte Schlacht von Sekigahara stattfand. Und tatsächlich: Ieyasu ging als triumphaler Sieger vom Platz, und er gründete seine Regierung in Edo, dem heutigen Tokio. Weil Ieyasu der Kanda Myojin ans Herz gewachsen war, ließ er ihn 1616 schließlich an den heutigen Standort verlegen. Dabei lag der Schrein in der Unglück verheißenden Richtung. Die Aufgabe des Schreins bestand daher von nun an darin, die bösen Geister von Edo fernzuhalten. Während der ganzen Edo-Zeit (1603-1868) hindurch wurde der Schrein von dem Tokugawa-Clan besonders geschützt, und gleichzeitig war er auch unter dem einfachen Volk sehr beliebt.
In der Meiji-Zeit (1868-1912) wurde der Schrein offiziell in „Kanda Jinja“ umbenannt.
Die meisten Menschen nennen den Schrein aber immer noch mit dem
vertrauten Namen „Kanda-Myojin“. 1923 wurde beim Großen Kanto
Erdbeben das Hauptgebäude komplett zerstört. Ein umstrittener Betonbau kam an seine Stelle. Heute wird der Schrein auch gern für Hochzeiten genutzt. Für diesen Zweck wurde nach dem 2. Weltkrieg ein großer Festsaal dazu gebaut.
Der Kanda-Myojin gehört bestimmt nicht zu den attraktivsten Schreinen, aber aufgrund seiner Geschichte ist er für mich ein ganz besonderen Schrein in Tokio.
Keiko Onozuka